Es ist wieder en vogue, Menschen am Rande der Gesellschaft zu Aussätzigen zu erklären!

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«Säufer, Obdachlose, Randständige» (Symbolbild) © 2016 Markus Christen

«Gossenmief zur Begrüssung». So der Titel in der Basler Zeitung. Das Thema: Vergrämung von «Trinkern und Obdachlosen». Es ist wieder salonfähig, Menschen zu diskriminieren, welche von eben dieser Gesellschaft an deren Rand gedrängt worden sind.

Der Titel der Geschichte auf Seite zwei der Basler Zeitung vom 17. Mai 2016 (online nur über Bezahl-Portal verfügbar!) lässt schon erahnen, dass es darin nicht darum geht, für Menschen am Rande der Gesellschaft eine Lanze zu brechen. Vielmehr soll – wieder einmal – das «verwahrloste Pack» thematisiert werden. Jene Menschen also, deren Lebenslauf ausser der Norm stattgefunden hat; deren Lebensbrüche sie irgendwann aus der Spur geworfen haben; deren Erscheinungsbild demjenigen unserer Wohlstandsgesellschaft komplementär zuwider läuft. «Der Basler Bahnhof wird mit dem kommenden warmen Wetter zur Freiluftbeiz für Trinker und Randständige», schreibt Serkan Abrecht in seinem Elaborat. Und weiter schildert er das frühmorgendliche Erscheinen «auf den Bänken und an den Metallstangen vor dem Bahnhof oder in der Schalterhalle». Immerhin: er gesteht zu, dass es nie wirklich gefährlich wird in diesem Umfeld. Doch dann der Wunsch nach der ganz grossen Geschichte: Am Montag (9. Mai 2016) hatte ein Mann eine Frau mit Anzündflüssigkeit übergossen und damit gedroht, sie anzuzünden. Wäre doch das Sahnehäubchen gewesen, wenn das Vorhaben zu Ende gebracht worden wäre! Ob es sich beim mutmasslichen Täter tatsächlich um jemanden aus dem Milieu handelte, lässt der Bericht allerdings offen – wie auch der Autor dieses Pamphlets gegen Menschen, welche sich am Rande der Gesellschaft bewegen. Der Dramaturgie kann es ja nicht schaden.

Dreckig und rechtlos!

Weiter im Bericht festgehalten wird die «störende Wirkung von Obdachlosen, Junkies oder anderen Randständigen im öffentlichen Grund». Natürlich wirken diese Menschen «störend», vergegenwärtigen sie doch den Nicht-Randständigen die Wirklichkeit der Gesellschaft. Und damit eine Realität, der man sich verschliessen muss. Denn sie widerspricht einer unersättlichen Konsumgesellschaft, einer Wegwerfgesellschaft, welche jährlich 2‘000‘000 Mio. Tonnen – in Worten: zwei Millionen Tonnen – noch gute Lebensmittel in den Müll schmeisst, eine Lastwagenkolonne von Basel bis nach Madrid! Einer Wegwerfgesellschaft, welche ihrem unersättlichen Drang nach uneingeschränkter Kommunikation unterordnet, dass der ganze daraus produzierte Sondermüll in der Dritten Welt Menschen, Tiere, ja schlicht die Umwelt vernichtet; dass in der Produktion Kinder 60-Stundenwochen unter gefährlichen Bedingungen arbeiten; dass unsere teuren Klamotten unter unsäglichen Arbeitsbedingungen in Indien, Bangladesch, oder sonst wo von rechtlosen Menschen unter rechtlosen Bedingungen hergestellt werden.

Die «saubere Schweiz» und ihr verlogenes Selbstverständnis

«Diese Obdachlosen- und Alkoholikerszene ist eine unwürdige Visitenkarte». So das Zitat aus Online-Medienkommentaren, das Autor Serkan Abrecht in seine Reportage einbringt. Stimmt! Stimmt aber nur dann, wenn die Gesellschaft ausschliesst, dass gerade sie zur Hauptsache schuld daran ist, dass solche Bilder überhaupt möglich sind. Der Raubtierkapitalismus und seine Skrupellosigkeit macht erst möglich, dass immer mehr Menschen aus den Maschen sozialer Sicherung fallen. Hinzu kommt der weltweite Rechtsdrall in der Politik, der dem Establishment Tür und Tor öffnet. Immer mehr Menschen sind ausser Stande, den Takt des Neoliberalismus zu gehen. Sie werden aus dem Schwungrad der Teilhabe am Leben katapultiert. Ihre Existenzberechtigung wird in Frage gestellt.

Und rechts-nationalistische Medien – unter vielen anderen auch die BaZ – leisten der Entsolidarisierung und Entmenschlichung der Gesellschaft bereitwillig Vorschub.